OK, also da hier schon öfters um das pricing diskutiert wurde hier meine 2 cents. Nein ich habe keine Doktorarbeit geschrieben über das Thema aber in meiner Zeit als Freelance Consultant, designer und programmer schon so einiges erlebt und auch wenn ich und meine Meinung nicht das Maß aller Dinge sind schreibe ich hier mal meine Gedanken nieder. Vielleicht helfen Sie ja einigen Leuten. Ich wollte immer mal ein Buch darüber schreiben aber ich mache immer so viele Grammatik Fehler - ich dachte ich versuche mich mal kurz zu fassen und mache einfach mal einen Post. Vielleicht ist es viel zu lesen aber immerhin muß keiner ein Buch kaufen.
Psychologie der Zahlen
1. Magic numbers - Zahlenspiele
OK, also euer Spiel is 10 Euro wert? Halt hier gelten die alten "magic numbers". Ja auch wenn es abgedroschen und dumm klingt so ist 9,99 Euro besser als 10 Euro. Was soll der eine Cent fragt ihr? Die Leute können doch rechnen? Ja und das ist der Trick. Letztlich ist 9,99 Euro psychologisch besser als 10 Euro weil euer Spiel dann immernoch "Bis 10 Euro" oder "unter 10 Euro" kostet. Der eine Cent ist dumm, zugegeben, aber es hat eben psychologisch seinen Sinn warum Spiele und andere Artikel eben 9,99 Euro oder 59,99 Euro kosten und nicht 10 Euro oder 60 Euro. Eben weil wir rechnen können ist dieser eine Cent schon ein Unterschied. Aber klar - wir runden immer auf - sprechen wir mit einem Freund darüber würden wir vielleicht sagen dass dieses Spiel "10 Euro" kostet auch wenn es nur 9,99 Euro sind. Dennoch ist der eine Cent schon eine Magische Nummer, es sind eben nicht ganz 10 Euro und das tritt unterschwellig hervor. Eine Stufe weiter ist 9,95 - diese 4 Cent Unterschied machen nicht viel aus - es klingt aber schon weniger gierig nah an den 10 Euro. Statistisch gesehen wird man eher "9,95 Euro" sagen als "9,99 Euro". "NeunNeunundneunzig" klingt dümmer als "Neun Fünfundneunzig" also wird statistisch weniger aufgerundet wenn man über den Preis spricht. Noch schwieriger macht man es den Leuten wenn der Preis 9,49 Euro ist. Rundungstechnisch ist der Preis somit eher an "9 Euro" als an "10 Euro". Hier gibt es kaum noch Leute die von "10 Euro" sprechen" weil sich psychologisch gesehen wenige trauen diesen Rundungsfehler auf sich zu nehmen. Noch extremer wird es bei 8,99. Hier rundet praktisch jeder auf "neun Euro", kaum jemand würdeden Preis des Spiels als "10 Euro" angeben wenn er mit Freunden spricht. 9 Euro sind klar ein einstelliger Betrag, da gibt es nichts zu rütteln, was uns zum nächsten Punkt bringt.
2. Magische Grenzen - der Wert des Geldes und Hemmschwellen
Es klingt wieder etwas dumm, aber die breite Masse schätzt Geld und dessen Wert ein durch die Gewohnheiten. Was sind wir gewohnt? Ganz klar - unseren lieben Euro. Unsere Währung. Früher war es die DM, heute ist es der Euro. "Haste mal ne Mark?" oder "Haste mal nen Euro?" Ja theoretisch war der Euro mal doppelt so viel wert, aber Inflation und Gewohnheit geben uns den Rest. Um ganz unten anzufangen - würdet ihr euch bücken um einen Cent aufzuheben? Ja? Gratulation ihr steht damit in einer Linie mit Dagobert Duck oder den berüchtigten Schwaben (Die Statistisch gar nicht mal geiziger sind als Sachsen oder Hessen...). Aber der Durchschnittsdeutsche würde sich für einen Cent kaum bücken - ob es nun der echte Wert ist oder eine Hygienefrage lassen wir mal dahingestellt. Dabei ist es nominal eigentlich sogar der Wert von 2 Pfennigen. Hier kommt das eigentliche problem beim Wertempfinden hervor - es kommt von unserer Währung. Für ein 10 Cent Stück würde sich schon eine Mehrheit Bücken, für einen Euro die allermeisten. Geschneidert ist das von der Art wie unsere Währung daherkommt - die Münzen und Scheine. Diese machen einen großen Teil unseres Wertempfindens aus. Es gibt viele Leute die haben keine Lust auf "Kupfergeld" und sammeln 1,2 und 5 Cent Stücke in großen Flaschen, Marmeladengläsern usw. Für viele ist es zu mühsam diese wertlosen kleinen Münzen zusammenzukramen um an der Kasse zu bezahlen. Aber wann fängt der Wert eigentlich an?
Die Klassifikation hier ist eindeutig - Scheine. Während 1 oder 2 Euro Münzen noch Begeisterung wecken so hat der Akt einen Schein zu ziehen schon den inneren Anspruch "echten Wert" in der Hand zu halten. Scheine zu zücken tut schon eher weh als "Kleingeld". Das ist psychologisch bewiesen. Und mit den Scheinen komt auch unser Wertempfinden. Sie bilden eine Art "Hemmschwelle" - man hat mehr Skrupel einen Schein auszugeben als eine Münze.
Sind 1 oder 2 Euro noch "Kleingeld" so sind 5 Euro eben schon der kleine Schein und somit einfach schmerzhafter auszugeben. Das ist online genau so. Natürlich gibt es da kulturelle Unterschiede. Der Amerikaner hat beim 1 Dollar Schein natürlich weniger Schmerzen und steckt ihn auch gerne mal in einen Cola Automaten. Der Inder gibt mit seinem 5 Rupien Schein etwa 6 Cent aus - das ist trotz des geringeren Einkommens ein relativ kleiner Schmerz, aber hier in Deutschland kann man sagen 5 Euro ist die Magische Grenze ab der eine Mehrheit anfängt sich Gedanken zu machen was man da ausgibt. Wie schon in Punkt 1 erwähnt muß man eigentlich zwangsläufig abrunden für ein gutes psychologisches Preisbild, aber 4,99 Euro is da schon eine Hausnummer die man nicht "aus Jux und Dollerei" aus dem Fenster wirft - zumindest nicht im Sekundentakt. So einen Betrag wie 0,99 Euro wird kaum einer ernsthaft in Budgetplanungen einbeziehen, aber 5 Euro gibt man nur aus berechtigtem Interesse aus.
Die restlichen "Magischen Grenzen" kommen natürlich psychologisch von den anderen Geldscheinen - als da wären 10, 20 oder 50 Euro. Klar esgibt theoretisch noch größere Scheine aber 100er, 200er oder 500er haben die Normalverbraucher selten in den Händen und geben diese Beträge wohl auch selten für Spiele aus. Zumindest in digitaler Form - bei Sondereditionen mit phantastischen Goodies kann die Liebe auch mal groß sein, aber das sind Sonderfälle.
3. Der "Unterhaltungswert" eines Spiels - in den Augen des Spielers. Über Suchtpotential und Attraktivität
Der eigentliche Wert eines Spiels ist schwierig festzuhalten - es ist ja ein sehr individueller Wert. Man muß dazu sagen daß grundsätzlich jeder einen eigenen Geschmack hat -also kommt es oft vor daß der eine Spieler ein Spiel als sein absolutes Lieblingsspiel tituliert und der andere es niemals freiwillig anrühren würde. Geschmäcker sind eben verschieden. Letztlich muß man das Spiel auf das herunterbrechen was es ist - ein Zeitvertreib. Und während mancher gerne in seiner Freizeit Gartenarbeit macht würden andere das als Strafe empfinden. Manche spielen gerne Rollenspiele, manche nur Puzzlespiele und ein Dritter mag lieber Flugsimulatoren. Statistisch gesehen verkaufen sich Rollenspiele am besten - sie haben ja auch ein unangefochtenes Scuhtpotential und bedienen eine breite Zielgruppe. Aber es kommt auch auf die Plattform an - auf Handys verkaufen sich Puzzlespiele recht gut, auf PCs eher mäßig. Open World Titel scheinen auf dem ersten Blick die größten Verkaufspreise einzufahren. Wie wird also der Wert eines Spiels fair errechnet? Ist mein Spiel 1 Euro oder 50 Euro wert? Die Frage stellt sich eigentlich immer wenn man nicht gerade ein "open Source", "freeware" oder "free 2 play" Spiel rausbringen würde. Die letzteren ("Free2Play") bieten eine andere hinterhältigere Form der Monetärisierung die sich aber meist nur für erfahrene Entwickler lohnt die wissen wie man ein Suchtpotential professionell aufbaut und ausnutzt. Hier könnte man ganze Bücher drüber schreiben aber wir beziehen uns mal der Einfachheit halber auf ein klassisches Verkaufsmodell.
Um auf den Punkt zurückzukommen - es ist ein zeitvertreib also ist der Wert für den Spieler wieviel Zeit er mit dem Spiel verbringt. Ein Spiel ist sehr wertvoll wen ich 100 Stunden daran spiele und viel Spaß habe aber es ist sehr wertlos wenn ich nach 20 Minuten aufhöre und denke "Ui was ein Mist". Den Wert bestimmt man am besten indem man sehr viele Beta Tester hat und sich dann Meinungen einholt und Statistiken pflegt wie lange an dem Spiel gespielt wurde.
Eine grundsätzliche Formel ist "Unterhaltungswert durch Preis" um einen Richtwert für die Wertfindung zu ermitteln. Der Unterhaltungswert kann in Spielstunden gemessen werden wenn es sich um ein Spiel mit definiertem Ende handelt - also bei einem Adventure bis zum End Screen oder bei einem Open World Spiel bis zum erreichen von 100% aller Ziele. Bei Multiplayer/Online Spielen versucht man in der Regel die Zeit zu messen die ein Spieler durchschnittlich pro Woche damit verbringt (man nimmt nicht "Pro Tag" da viele Spieler nur am Wochenende oder zu bestimmten Zeiten spielen).
Dies ist aber noch nicht der endgültige Wert - er wird von Faktoren wie "Prestige", "Novelty" (Ist das Spielkonzept ganz neu?), "Wert des IP" (Intellectual Property - also wenn man "Spider Man" hat ist schon der Titel etwas wert), "Werbung" und "Aufmachung" (Ist es ein "boxed" game oder download, gebe ich physische oder virtuelle "goodies"?) beeinflusst.
Sieht man von diesen (optionalen) Faktoren aber einmal ab so sollte der Wert des Spiels in Relation zu der Zeit stehen die der Durchschnittsspieler mit dem Spiel verbringt.
4. Prestige - oder wo die Lorbeeren herkommen
Hat man bereits viele gut verkaufte Spiele so kann man sich virtuell auf den Lorbeeren ausruhen. Nein so ganz stimmt das natürlich nicht aber als etablierter Publisher muß man sich um den Hype und die Werbung keine Sorgen mehr machen und gibt für solche Aspekte vielleicht weniger Geld aus. Hat man ein paar gute Spiele gemacht dann ist einem die Aufmerksamkeit zumindest gewiss und man kann auch alte Konzepte neu auflegen. Hier spielt der "Novelty" Aspekt nicht unbedingt eine Rolle, hat man bereits 3 erfolgreiche RPGs aufgelegt so muß das vierte nicht unbedingt bahnbrechend sein um Aufmerksamkeit zu bekommen.